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Das Märchen vom Engel - von Airin

 

Es war einmal ein Engel, ein großes feines Wesen, das ganz in goldenem Licht schimmerte. Er war schon sehr viel gereist, hatte viele Erfahrungen in diesem Universum gemacht und war an ihnen zu einer weisen, alten Seele gewachsen.

Wohin er auf seinen Reisen kam, dort verbreitete er ein goldenes Licht und verströmte seine Liebe, diese große, heilende Kraft, die aus seinem innersten Wesen hervorquoll.

Doch er war auch sehr neugierig, und so führte ihn seine Reise zu einem ganz seltenen, besonderen Planeten. Schon von Weitem war er auf sein Blau, sein Weiß und sein saftiges Grün aufmerksam geworden. Je näher er kam, desto mehr zog dieser Planet all seine Aufmerksamkeit auf sich. So etwas hatte er noch nie gesehen - diesen Ort wollte er näher erkunden. Er spürte, etwas war hier besonders. Hier war alles so viel dichter als draußen, in den Weiten des Weltalls und auf den vielen anderen Orten, die er bisher besucht hatte. Er beriet sich mit den anderen geistigen Wesen, die er in der Umgebung dieses Planeten traf. Jedes von ihnen hatte eine besondere Aufgabe übernommen und unterstützte das, was hier geschah, auf seine Weise.

Sie sagten: "Willkommen, hilf uns dabei, das Energiefeld dieses Planeten zu stabilisieren!"

Andere sprachen von Menschen, die auf der Oberfläche des Planeten lebten. Es sei eine ganz besondere Art.

"Sie brauchen unsere Unterstützung. Du kannst sie von hier aus begleiten, wenn du möchtest!"

Ganz fasziniert betrachtete unser Engel, was dort unten auf Gaia, wie die anderen Engel diesen Planeten nannten, geschah. Warum sollte er nur hier oben bleiben? Es sei gefährlich, sich Gaia noch mehr zu nähern. Astralgürtel, Emotionen gäbe es dort, Engel würden sich dort verlieren, betäubt werden und sie vergäßen, wer sie seien.

Unser Engel mochte es nicht glauben. Es war so bunt da unten, so ... so ganz anders. Das wollte er sich näher anschauen. Als kosmischer Wissenschaftler wollte er eben alles genau wissen.

"Du darfst nicht noch tiefer gehen, mein Freund", warnte ihn einer der Engel. "Deine feinen Energien werden verpuffen, sich zerstreuen. Es ist ein sehr gefährlicher Ort für uns! Wenn Du Dich unbedingt dort aufhalten willst, kannst Du nicht so gehen, wie du bist. Du brauchst eine Art Raumanzug, einen Schutz vor den groben, dichten Kräften dort unten. So machen es die Menschen auf Gaia. Sie nennen es Körper. Doch Vorsicht, sie vergessen so oft, daß sie auch Wesen sind wie wir und identifizieren sich mit diesem Körper!"

"Körper. Aha. Kannst Du mir so einen Körper geben?" fragte er.

"Ich warne Dich, El-Malayne (denn so wurde unser Engel von seinen Geschwistern genannt). Du bist in großer Gefahr, es kann sehr viel Leid bedeuten, wenn Du das willst."

Aber El-Malayne hatte sich schon entschieden, wollte nun um jeden Preis einen solchen Körper bekommen. Die Engel, die schon länger in der Umgebung von Gaia gearbeitet hatten, leiteten El-Malayne und zeigten ihm zwei Menschen, die bereit waren, ihm einen solchen Körper zu schenken.

"Es wird schwierig für dich werden. Sie werden Dich nicht mehr bei Deinem wahren Namen nennen und Dir viel Leid zufügen. Aber wir sind bei Dir und werden versuchen, von hier aus wieder Kontakt mit Dir aufzunehmen, sobald das möglich sein wird."

Langsam sank El-Malayne tiefer und bald darauf wurde auf der Erde ein kleines Kind geboren. Oh, welch ein gräßlicher, kalter, grober Empfang! Und wie eng das hier alles war! El-Malayne, der große weise Engel, fühlte sich schmerzhaft eingepfercht in diesem Raumanzug, diesem kleinen hilflosen Körper. Diese zwei wunderbaren Seelen, die ihm den Körper gegeben hatten, wollten ihn auf seltsame Weise nicht verstehen. Wenn er mit ihnen sprach, dann antworteten sie nicht direkt, sondern machten seltsame Laute, die er langsam als Sprache zu deuten lernte. Sie nährten ihn zwar, aber die große Liebe, die er im Austausch mit den anderen Engeln gewohnt war, erreichte ihn hier nicht. Alles war kalt, fremd und er zog sich immer mehr in sich zurück und verkrampfte sich. Es tat weh, er war einsam. Den Schmerz wollte er nicht dauernd spüren müssen und so verlor er mehr und mehr sein Bewußtsein.

Er vergaß, wer er selbst war. Schließlich wußte er wenig von dieser Welt und mußte nun lernen, auf ihr zurechtzukommen. Er vertraute den Menschen, die ihm zeigten, was zu tun sei. Sie lebten ja schon lange hier, also mußten sie es ja wissen. Sie zeigten ihm, wie er sich als Junge unter ihnen zu bewegen hatte. Keine Frage, die anderen mußten ja Recht haben, und so benutzte er seine große Weisheit, die man hier Intelligenz und Verstand nannte, um all den Gesetzen und Regeln zu folgen und zu erfahren, was es damit auf sich hatte, als Mensch auf diesem Planeten zu leben.

Bald wußte er nichts mehr davon, daß er El-Malayne war. Und er wuchs auf, lernte die Gedanken und die Welt der Menschen kennen. Er fühlte sich immer fremd und die Menschen verstanden ihn nie wirklich. Er wollte dazugehören, aber es gelang ihm nicht. Er sei seltsam, hörte er öfter, und man mutmaßte auch, daß er "spinne", wohl nicht ganz richtig im Kopf sei. Aber schließlich war er eine starke Seele, und so verwendete er sehr viel seiner Kraft darauf, ganz so zu werden, wie die anderen das von ihm wünschten. Er machte deren Regeln zu seinen eigenen und vergaß sich ganz in der Anspannung und den Wirren des Erdenlebens.

Der Schmerz über die Enge dieses Erdenlebens mochte ihn nie verlassen und die emotionalen Reaktionen der Menschen waren ihm immer wieder unverständlich und fremd. Er wußte nicht ein noch aus, und wenn nicht tief in ihm immer noch die Erinnerung an das, was er wirklich war, geschlummert hätte, dann hätte er sicher bald beschlossen, diesen Körper zu zerstören, um ihn verlassen zu können. Doch er spürte auch den Wert dieses Lebens, und so versuchte er immer wieder, sich in ein Leben als einer der vielen Menschen einzufügen.

Dennoch entfloh er seinem Körper so oft er konnte, nahm ihn nie richtig in Besitz, und nachts in seinen Träumen war er wieder daheim bei seinen Sternengeschwistern. Es war so schwer für ihn, "Ja" zu sagen zu seinem Hier-Sein und als dieser Körper reifte, war er ganz und gar entsetzt über die Eigendynamik der Triebe, die sich da in ihm entwickelten. Sie waren fremd und bedrohlich für ihn, und zugleich verwirrte ihn immer mehr, was die anderen Menschen von ihm zu erwarten schienen. Aha, er sollte nun also ein Mann werden. Männer haben keine Gefühle. Männer sind physisch stark. Männer zeigen ihre Liebe und Sensibilität nicht. Wie sollte er da noch er selbst sein können? Es trieb ihn um, er wurde immer verzweifelter.

Aber es gibt doch Menschen, die mehr so sind wie er - die Menschen, die man Frauen nennt. Sie sind sensibel. Sie dürfen ihre Liebe zeigen. Ist es nicht so? Ja, natürlich, diese Menschen, die sind so wie ich, dachte er sich. Also mußte er wohl einer von denen sein. Immer überzeugter war er davon. Ganz und gar hatte er vergessen, wer er war. El-Malayne? Er spottete nur darüber und war sich gewiß: "Ich bin eine Frau".

Machtvoll sind die Gedanken auch auf dieser Welt, und so wurde aus dieser Überzeugung bald physische Realität. Nun lebte er das Leben einer Frau. Doch der Hunger, die Suche wollten nicht aufhören, das war noch nicht genug. Noch immer fühlte er sich fremd hier und begann, weiter Ausschau zu halten. Hatte er nicht immer gelernt, daß diese Welt die einzig wahre sei? Er traf Menschen, die erzählten ihm von fremden Planeten und er lachte bloß. Doch er wurde stiller in sich, lernte, mehr in sich selbst hineinzuhorchen und dem, was in ihm war, zu vertrauen. Langsam, langsam, sickerte das Licht und die Liebe der Ebenen durch, von denen er kam, bis er sich ihrer auch in seinem Erdenkörper bewußt wurde.

El-Malayne erwachte aus dem Taumel, in dem ihn die Dichte der Erdenwelt geworfen hatte. Die Verletzungen, die er durch sie erfahren hatte, begannen zu heilen und immer mehr kehrte in ihm die Erinnerung an das, wer er wirklich ist, zurück.

Nun versuchte El-Malayne nicht mehr, sein Leben nach den Erwartungen von Menschen um ihn herum zu führen. Er traf andere Menschen, die wie er waren und ihn an sein Zuhause erinnerten, mit denen er wieder ganz die Liebe seiner Seele teilen konnte. Das war so heilend und befreiend, daß er immer mehr den Mut hatte, den Menschen davon zu berichten, wer er war und sie bei ihrem Wachstum auf diesem wunderschönen Planeten zu begleiten.

Und die Menschen spürten, daß El-Malayne anders war als sie selbst, und sie verspotteten und verletzten ihn nicht mehr dafür, sondern sie fragten ihn um Rat und er durfte auch sie daran erinnern, daß sie Seelen sind, viel mehr als ihre begrenzten Körper, die sie für ihren Besuch auf Gaia angelegt hatten.